Moderat seien die Steigungen, die Strecken insgesamt ebenso: So die Ankündigung von Organisator Martin Preisig jeden Morgen vor der Abfahrt. Während des Tages zeigte sich jeweils einmal mehr: Nicht primär die Streckenführung, sondern die Fahrerinnen und Fahrer selbst machen ein Rennen (im vorliegenden Fall: eine Tour) hart… Thann als Basis für die diesjährige Vier-Tages-Tour bot die Grundlage für erlebnisreiche Touren in den Vogesen.
Thann, ein Städtchen nur wenige Kilometer von Mülhausen entfernt, dort das Hotel Moschenross bildeten den Ausgangspunkt für die abwechslungsreichen Ausfahrten der diesjährigen Vier-Tages-Tour vom 11 bis 14. Juli. Was es mit dem merkwürdigen Hotelnamen auf sich hatte, blieb bis zum Schluss des Aufenthalts ein Geheimnis. Rösser tauchten jedenfalls keine auf…
Verpflegung unterwegs: Eine Herausforderung
An bekannten Rennradtouren herrscht in den Vogesen wahrlich kein Mangel. Grand Ballon, Col de la Schlucht, Super Planche des Belles Filles – diese Namen kennt man aus dem Rennsport ebenso wie aus einschlägigen Tourenportalen. Dass einige Höhenmeter und Steigungsprozente anstehen würden, was also zum vornherein klar. Martin Preisig bemühte sich indessen vor jeder Abfahrt nach Kräften, allfällige Bedenken zu zerstreuen: „Die Steigungen sind moderat!“ Am Ankunftstag bedeutete dies konkret: 86 Kilo- und 1‘700 Höhenmeter für Gruppe 2, deren 112 und 2‘600 für Gruppe 1, jeweils unter Einbezug des bekannten Ballon d’Alsace. Beim Abarbeiten des Tagesprogramms zeigte sich unerwarteterweise: Die Verpflegung ausserhalb der touristischen Hotspots kann in Frankreich zur Herausforderung werden. Bistrots, Boulangeries, Tankstellenshop? Fehlanzeige! So landete die Gruppe 1 schliesslich ziemlich unterzuckert im einzigen „Supermarché“ weit und breit und ergatterte sich notfallmässig einige Industrie-Sandwiches. Dem Vernehmen nach vermochten diese die Erwartungen an französische Kulinarik nur bedingt zu erfüllen.
Super Planche des Belles Filles
Tag 2 hielt als Höhepunkt für die Gruppe 1 bereits die Super Planche des Belles Filles bereit, bekannt unter anderem als Etappenziel der Tour de France. Moderat bedeutete in diesem Fall Steigungsprozente deutlich jenseits der 20%-Marke, dies teilweise auf Schotter. Fotos dokumentieren Gesichter mit dem Ausdruck eines Gemischs aus Leiden und Stolz, es geschafft zu haben.
Nicht ganz so steil hinaus ging es für Gruppe 2, die sich dem Grand Ballon widmete. Leider zeigte sich das Wetter oben von der eher garstigen und nebligen Seite, so dass von der grundsätzlich grossartigen Aussicht rein gar nichts zu sehen war. Also nahm man die tolle Abfahrt Richtung Kruth unter die Räder. Für den Mittagshalt bot sich am gleichnamigen See ein Ufer-Selbstbedienungs-Restaurant an. Unter den grossflächigen Sonnenschirmen liess sich auch ein Gewitter trocken überstehen – der einzige nennenswerte Niederschlag während allen vier Tagen! Angesichts des Wetterberichts war das nicht unbedingt zu erwarten gewesen.
Das abendliche Auffüllen der Energiespeicher erfolgte für einmal nicht im hotel-eigenen Restaurant, sondern in einer Pizzeria im Nachbardorf. Die dortigen Portionen waren alles andere als moderat. Einige bewegten sich beim Vertilgen des Servierten im Grenzbereich ihrer Leistungsfähigkeit – darunter jene, die als Vorspeise zur Pizza noch Spaghetti bestellt hatten.
Rasen auf der Route des Crêtes
Die Route des Crêtes gilt als eine der schönsten Höhenstrassen in Europa. Die Aussicht ist einzigartig. Vom Grand Ballon sieht man die elsässische Rheinebene und den Schwarzwald. Bei klarem Wetter reicht der Blick bis nach Österreich, Lichtenstein und zum Montblanc. Wenn so eine Strecke quasi vor der Haustür liegt, muss diese natürlich unter die Räder genommen werden! Bei der Vielzahl von Pässen und Pässchen in der Region war es für Martin ein leichtes, zwei unterschiedlich anspruchsvolle Strecken zusammenzustellen (moderat natürlich). Das Timing hätte besser nicht sein können, trafen die beiden Gruppen doch auf Hohneck, dem Höhepunkt der Strecken, aufeinander. Wenn Dani Dieterich seinem Edel-Italo-Renner kiesigen Untergrund zumutet, muss der Ort wirklich ein ganz Besonderer sein!
Von der wunderbaren Aussicht auf der Höhenkammstrasse nahmen viele Fahrer in der Folge kaum etwas wahr. Wie aus gut unterrichteter Quelle zu erfahren war, erfolgte bis zum Grand Ballon ein wahres Gemetzel („Kette rechts!“). Ging es rauf oder runter? Keine Ahnung mehr – im Sauerstoffmangel reduzierte sich das Blickfeld aufs Hinterrad des Vordermannes. Böse Zungen behaupten, die folgende Erkrankung von zwei der Akteure sei die Folge der Raserei…
Beim Abendessen wurden die VC-Hittnauerinnen und -Hittnauer auf das Fest im Dorf hingewiesen, das an diesem Tag noch stattfinden würde. Mit grossem Feuerwerk. Unsere Bemerkung, der französische Nationalfeiertag sei doch erst am Sonntag, führte zur aufschlussreichen Antwort: „Der 14. Juli ist für Paris. Wir feiern am 13.!“ So zog man also nach gehabter Verpflegung nochmals ins Städtchen, mischte sich zu Disco-Beats unters feiernde Volk und genoss das Feuerwerk, das unter dem Motto „Mehr ist besser – egal wie“ zu stehen schien.
Weinstrasse (auch) für Bierliebhaber
Die nächtlichen Eskapaden schienen sich in Grenzen gehalten zu haben, jedenfalls erschienen am Sonntagmorgen alle pünktlich zu Frühstück. Der letzte Tag hielt ein tatsächlich moderates Programm bereit, schliesslich stand ja auch noch die Heimfahrt an. So wurden die verbleibenden Kilometer genussvoll in der Gegend der Weinstrasse abgespult. Und es blieb sogar noch Zeit, bei einem Apéro auf die wunderbaren vier Rennvelotage anzustossen.
Ein ganz grosser Dank gebührt an dieser Stelle dem Organisator Martin Preisig. Er hat uns tolle Rennvelotage ermöglicht in einer Gegend, die zwar nicht sehr weit von Hittnau entfernt ist, die wir aber dennoch kaum je unter die schmalen Reifen nehmen. Nicht ganz einfach, eine Vier-Tages-Tour so zu planen, dass mit den Strecken jede und jeder auf seine Rechnung kommt!
Christoph Boog
Am Morgen vor der Abfahrt informiert Martin Preisig über die vorgesehenen Routen des Ta-ges.
Aufstieg zur Super Planche des Belles Filles: Die Strasse ist einschlägige beschriftet.
Im Winter ein Skigebiet: Gruppenfoto vor dem Pistenplan.
Hohneck, der Höhepunkt von Tag 3. Dani Dieterich rollt vor Romeo Tedaldi ein.
Am Schlussabend zur Feier ins Städtchen zum Feuerwerk.