Vier Tage munter immer rauf und runter

Tag 1: Reichlich Gnoggi und Rückwärtsgang

Wo ist das Café Baumgartner? Diese fast schon existentielle Frage stellte sich den Teilnehmerinnen und Teilnehmern gleich zu Beginn der Vier-Tages-Tour. Allen voran Patrick Buschor, der als einziger mit dem Velo von Hittnau zum Startort Widnau gefahren war und die örtliche Polizei zur Klärung dieser Frage beizog – allerdings ergebnislos. Ein Café Baumgartner war auch dem «Freund und Helfer» nicht bekannt. Des Rätsels Lösung: Der Veloclub war bei den Eltern von Teilnehmer Mario zur Start-Verpflegung eingeladen, die ausgesprochen reichhaltig ausfiel.

Gut genährt schwangen sich die einen (die grössere Hälfte) in den Sattel, während die anderen den Pfänder noch im Bus sitzend hinter sich brachten. Als «kleiner Pass» war dieser von Tourenleiter Martin Preisig beschrieben worden – man weiss inzwischen, was solches in der Praxis bedeutet!

Ab Pfänder Passhöhe waren dann alle definitiv im Velo-Modus angekommen. Die wunderschöne, aber auch sehr hügelige Strecke führte zu einem Durchschnittstempo von nur wenig mehr als 20 km/h, und damit zu einer Mittagsrast gerade noch vor Küchenschluss um 14 Uhr! Es waren feine Gnocchi bestellt, was bei Beat zu Begeisterungsstürmen führte.

Die weitere Strecke am Nachmittag führte über praktisch verkehrsfreie, immer schmaler werdende Strässchen, angereichert mit Holzschlag-Zonen (Fahrverbot!) und etlichen Barrieren. So kam es, wie es fast kommen musste: Für den Clubbus, gesteuert von Beat, gab es irgendwann kein Durchkommen mehr – und auch keine Wendemöglichkeit. Dies führte zu einem Dauertest des Rückwärtsgangs, was sowohl Bus als auch Fahrer mit Bravour meisterten. Rechtzeitig zum Abendessen waren alle im Hotel in Tannheim eingetroffen. Gnoggi-Liebhaber hätten nochmals solche bestellen können, die Speisekarte hielt aber auch ein Alternativmenu bereit.

Tag 2: Warum lachen Töff-Fahrer nie?

Der Blick aus dem Fenster frühmorgens stimmte wenig euphorisch: Miesepetrig-feuchtes Grau dominierte die Szene. Roli würdigte am Frühstückstisch seinen Entscheid, ein Langarmtrikot, Mütze und Handschuhe eingepackt zu haben… So starteten um 9 Uhr alle gut eingepackt. Der Tag zeigte sich aber schon bald von seiner freundlicheren Seite, bereits beim Znünihalt konnte auf Tenu kurz-kurz gewechselt werden, und bis am Abend sollte noch genug Schweiss fliessen.

Die Erfahrung des ersten Tages bezüglich Durchschnittsgeschwindigkeit erwies sich auch auf der zweiten Etappe als nützlich. Wer wollte in dieser wundervollen Landschaft einfach nur durchbrettern? Etwas Zeit für eine Verpflegungspause und ein paar Fotos musste schon sein. Deutlich verkehrsreicher als die bisherige Strecke zeigte sich der Fernpass, neben Durchgangsverkehr hat dieser auch üppigen Motorradverkehr zu verkraften. Wir waren also nicht die einzigen oben auf der Passhöhe; trotzdem gelang es im Touristen-Restaurant problemlos, drei Tische zu ergattern. Freundliche Bedienung, gutes und reichhaltiges Essen, und das erst noch günstig. Erkenntnis: Es ist also möglich, auch Massenabfertigung angenehm und in guter Qualität zu betreiben.

Das Tagesziel Sölden war noch ziemlich weit entfernt, so dass wir nicht allzu lange höckelten. Die VCH-Abfahrt kreuzte sich mit der Anfahrt einer grossen, durchs Band grimmig dreinblickenden Töff-Gruppe. Was bei den Velofahrenden zur Frage führte, weshalb Motorradfahrende nie lachen. Macht ihnen ihr Hobby keine Freude?

Die weitere Route führte über den Holzleitensattel ins Ötztal, an dessen Eingang die Gruppe 2 auf den Clubbus umstieg – die verbleibenden 40 km und rund 800 Höhenmeter erschienen als Dessert eines sonst schon anforderungsreichen Tages als etwas viel. Es dauerte denn auch eine Weile, bis die Hardcore-Fahrer der Gruppe 1 in Sölden eintrafen. Die gute Laune vermochten die Strapazen offensichtlich nicht zu beeinträchtigen – die Leute sind wirklich fit!

Es ist selten, dass einen die Rezeption anweist, die Velos mit ins Hotelzimmer zu nehmen. Wenn es im Velokeller aber keinen Platz mehr hat, weil dieser bereits mit E-Bikes vollgestopft ist: Ja, so kann das im Sommer in Sölden sein! Die Küche des «Grauen Bär» war hervorragend, so dass die einen mehr reinschaufelten als eigentlich reinging, und die andern vor der Grösse des Wiener Schnitzels kapitulieren mussten.

Tag 3: Der Rettenbachferner fordert

Die Völlerei vom Vorabend hatte da und dort Spuren hinterlassen. Jedenfalls war am Frühstückstisch von suboptimaler Nachtruhe und immer noch vollen Bäuchen zu hören. Gleichzeitig galt es aber, sich am Buffet mit den nötigen Kalorien für die bevorstehenden Herausforderungen des dritten Tages zu versorgen. Ein Zielkonflikt schon am frühen Morgen…

Als Hauptziel des Tages wartete die Ötztaler Gletscherstrasse mit dem höchsten, auf asphaltierter Strasse erreichbaren Punkt der Alpen beim Rettenbachferner auf über 2’800 M.ü.M. In der (wohl realistischen) Selbsteinschätzung, diese Herausforderung nicht oder nur unter Inkaufnahme unangemessenen Leidens bewältigen zu können, verzichteten Fahrerinnen und Fahrer der Gruppe 2 auf diese radsportliche Delikatesse. Wer die Strecke aber in Angriff nahm, kam auch oben an, wie zahlreiche Fotos belegen. Über den anschiessenden Zustand mindestens eines Fahrers (Name der Redaktion bekannt) soll an dieser Stelle der Mantel des Schweigens gelegt werden…

Der «Rest» der Strecke mass immer noch rund 100 km und führte zum Tagesziel Ischgl. Hier kam es zu einem ungeplanten Treffen mit einer anderen VCH-Velogruppe: Für Gian, Pascal, Manuel, Aglaia und einen weiteren Kollegen, unterwegs von Hittnau nach Wien, war Ischgl ebenfalls Etappenort. So fand das Nachtessen im «Alpina» in vergrössertem Kreis statt. Beat, Roli, Gian Carlo und Eddy fanden zwischenzeitlich noch Gelegenheit, dem «Secret of Ischgl» (einschlägiges Bildmaterial lässt auf den Weinkeller des «Alpina» schliessen) einen Besuch abzustatten. Über die Folgen ist nichts Näheres bekannt.

Tag 4: Runterzittern in Nebel und Regen

Kalt und leicht nieselnd präsentierte sich das Wetter bei der Abfahrt am Schlusstag. Weil als Auftakt aber der Anstieg zur Bielerhöhe auf dem Programm stand, war das kein Problem – bergauf fahren macht warm! So kamen alle fast trocken oben an und freuten sich auf die Serpentinenabfahrt auf der legendären Silvretta Hochalpenstrasse hinunter Richtung Montafon.

Bloss: Kaum gestartet, kam faustdicker Nebel auf (Sichtweite gefühlt 10 Meter), und wenig später prasselte Regen nieder, und dies nicht zu knapp. Bei Temperaturen nur wenig über dem Gefrierpunkt Bedingungen, die den Abfahrtsspass nahe an den Nullpunkt brachten. So zirkelte man im Blindflug und Schneckentempo die Serpentinen runter und brauchte zwischendurch eine Pause, um die klamm und gefühllos gewordenen Finger wieder in die Lage zu bringen, die Bremsen im erforderlichen Mass zu betätigen. Wer sich ausmalen möchte, wie es bei schönem Wetter hätte sein können, dem sei das Betrachten des Bildes im BrämsChlotz Nr. 135, Seite 24 empfohlen!

Glücklicherweise beschränkte sich das miese Wetter auf das Gebiet der Bergflanken. Schon 10 km weiter unten zeigte sich der Himmel wieder blau, die Temperatur angenehmer, und das Mittagessen konnte bereits wieder in einer Gartenwirtschaft genossen werden.

Auf den verbleibenden rund 50 km zurück zum Ausgangsort Widnau zeigte sich, dass halb Österreich Velo fährt – zumindest am Sonntag. Die eher schmalen Velowege waren sehr gut frequentiert, was immer wieder Kreuzungs- und Überholmanover nötig machte. Die 20köpfige Hittnauer Gruppe zusammenzuhalten, war so nicht immer ganz einfach und forderte von allen hohe Konzentration. Eine ganz neue Form der Herausforderung am letzten Tag!

Schliesslich kamen alle wohlbehalten wieder in Widnau an. Alle? Nein, denn ein Quartett, das nach den vier Tagen noch immer nicht genug hatte, klinkte sich etwas vorzeitig aus, um auch den Rückweg nach Hittnau noch mit eigener Kraft zu bewältigen. Dem Vernehmen nach sind alle wohlbehalten (und wohl auch leicht ermattet?) angekommen.

Zum Schluss sei dem Organisator der Tour, Martin Preisig, herzlich gedankt. Er hat für ein erlebnisreiches verlängertes Velo-Weekend gesorgt in einer Gegend, wo sonst wohl die wenigsten VCH-Pedaleure unterwegs sind. Den Aufwand, der zur Vorbereitung einer solchen Tour betrieben werden muss, kennt nur er. Sicher ist: Es wird nicht wenig gewesen sein!

Christoph Boog